Erzgewinnung - Lißberg

Lißberg / Hessen
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Erzgewinnung

Geschichte > Handwerk

Eisenerzgewinnung und Verhüttung im Vogelsberg und im Raum Büdingen
Der Mensch nutzt seit jeher die Grundstoffe und Materialien, die ihm die Natur bietet.
Stein, Holz, Lehm, Ton, Erze, Mineralien, um nur einige zu nennen. Die Hebung und Nutzung dieser Materialien war unterschiedlich, bedurfte gewisser Fähigkeiten und Geschick und war unter Umständen mit großer Gefahr verbunden.
In dieser Abhandlung soll es vornehmlich um die Erzgewinnung gehen, im speziellen um die Gewinnung von Eisenerz, beschränkt auf den Vogelsberg und den Büdinger Raum.

Die Eisenerzgewinnung in unserer Region
Eisenerzbergbau und Eisenerzverhüttung sind im Gebiet des ehemaligen Kreis Büdingen ebenso wie im ganzen Vogelsberg uralt. Sie haben ihre Grundlage in dem Vogelsberger Brauneisenstein, der zu Beginn der Erdneuzeit durch eine sehr tiefgreifende Verwitterung, Zersetzung und Verlagerung aus der bis zu 12 % Eisen enthaltenden Basaltlava ausgeschieden worden ist.
Dieser Basalteisenstein ist im ganzen Vogelsberg bis hinauf auf den Osthang des Hoherodskopfes gefunden, abgebaut und verhüttet worden. Im 19. Jh. war Bergbau auf Eisenerz nur noch in der Gegend von Atzenhain und Mücke im Norden und bei Hungen im Westen zu beobachten. Die Verhüttung wurde in Wetzlar und an der Ruhr vorgenommen. Die Gewinnung des Vogelsberger Brauneisensteines und seine Verhüttung in weit mehr als hundert kleinen Schmelzstätten geht mindestens bis ins frühe Mittelalter zurück. Es gibt Anhaltspunkte, das im Vogelsberg, wie im Siegerland oder Taunus, die Erzgewinnung in frühgeschichtliche Zeit anzusetzen ist.
Die älteste urkundliche Nachricht über den Vogelsberger Eisenerzbergbau bezieht sich auf den Ort Burgbracht und findet sich in einer Urkunde des Klosters Fulda.
Dort schenkt ein „Biricho de Brataha" dem Kloster Fulda seine Güter zu Brataha
(Burgbracht), „an dem Orte, wo das Eisen in der Erde gefunden wird."
Leider ist die Urkunde nicht datiert. Da aber ein Biricho in den Jahren 779 bis 823 mehrfach in Fuldaer Urkunden als Zeuge auftritt, dürfte sie etwa in das Jahr 785 zu setzen sein. Und die Zehnt Reichenbach, in deren Grenzbeschreibung um 800 mehrfach die Bezeichnung „Arcebach" und „Arezbacg" (Erzbach) auf das Vorkommen von Eisenerz hinweisen, liegt nördlich von Birstein in unmittelbarer Nachbarschaft von Burgbracht.
Wesentlich jünger ist die nächste Nachricht über den Vogelsberger Eisenerzbergbau.
Sie führt uns in das Niddertal: Als am 19. November 1375 Friedrich, Herr zu Lißberg und seine Mutter Metze die Verfügungen bestätigen, die Hans von Blanckenwaldt über das ihm verpfändete lißbergische Dorf Lichenrod und über den lißbergischen Anteil an der „waltsmittenstadt" zu Hirzenhain getroffen hat, werden auch zwei Stätten der Erzgewinnung genannt, das „Enkelries" bei Lißberg und das „Reymboldesholtz"
( „Reimertsholz", heute Privatwald Stolberg-Rossla) zwischen Hirzenhain und Gelnhaar.
Das Erzvorkommen im Reimertsholz muss sehr umfangreich gewesen sein. Noch im 18. Jh. ging dort Bergbau um und das dort gewonnene Erz wurde in Hirzenhain verhüttet.
In einer Urkunde vom 16. Mai 1444 überschreibt Johann, Graf zu Czigenhayn und zu Nide, dem Prior des Klosters zu Hirzenhain seinen Anteil an „der Waltsmitten und Hobestatt bei Hirtzenhayn gelegen, die bisher gen Lißberg gehört hat"
(Aschaffenburger Kopialbuch).
Wenn auch die urkundlichen Nachrichten über den Vogelsberger Eisenerzbergbau aus früherer Zeit recht spärlich sind, so reden die Flurnamen eine um so deutlichere Sprache.

Flurnamen
Die Zahl der „Eisenkauten", „Eisenberge" und anderer „eisenhaltiger" Flurnamen ist im ganzen Vogelsberg sehr groß.
Hier nur eine kleine Auswahl aus unserer Region :
„Eisenküppel" bei Rainrod, der „Arzbach" bei Eichelsdorf, der auf eine sehr frühe Erzgewinnung schließen lässt, das „Eisenried" bei Unter - Schmitten, den „Eisenkopf" bei Ober - Lais, die „Eisenlöcher" bei Ranstadt, „Eisengarten" und „in der Grube" bei Burgbracht, die „alte Grube" beim Falltorhaus bei Schotten, die „Eisenkaute" in der Gemarkung Herchenhain, die einst einer sehr alten Eisenhütte in Sichenhausen den Rohstoff lieferte und endlich die „Eisenkaute" bei Eckartsborn.

Diesen „sprechenden" Flurnamen gesellen sich oft andere bei, die an die Schmelzstätten - Waldschnitten - oder an die Köhlerei erinnern.
So findet sich in der Nähe der „Arzbach" bei Eichelsdorf die Bezeichnung „in der Blechwiese". In Rainrod taucht der Name „Auf der Schmittenwiese" auf und bei Ober - Lais finden wir neben dem „Eisenkopf" noch die „Schmittswiese" und den „Kohlstrauch". Eine "Schmittwiese" und den "Hammerwald" finden wir bei Lißberg. Das Graben nach Erz wurde auch „Moltern" genannt und die hierbei um den Schacht aufgeschüttete Erde erinnerte stark an einen Maulwurfshaufen. Der Maulwurf wurde in unserer Gegend auch Moltwurf genannt, dürfte sich aber auch in Molkwurf abgewandelt haben. Daraus folgernd könnten die Flurbezeichnungen „Molkenwiese" oder „Molkenborn" durchaus mit der Grubentätigkeit in Zusammenhang gebracht werden. Auch die Namen „Sinnerwiesen" oder „auf den Sinneräckern" (Schlackenäcker) weisen auf die Eisengewinnung hin. Sinner oder Sinter wurde die Schlacke genannt, die bei der Verhüttung anfiel.

Auf dieser Flurkarte ist das Stück „auf der Eisenkaute", zwischen Lißberg und Eckartsborn eingezeichnet.
Dort findet man noch heute Brocken von dem Brauneisenstein.

Bergbau
Bis ins 16. Jhdt. gab es im Vogelsberg Eisenerzbergbau.
Einen „zünftigen" Bergmannsstand hat es allerdings, wie in anderen Landesteilen, nicht gegeben.
Der Bergbau stand bis zu dieser Zeit, ebenso wie die Köhlerei, in einem unmittelbaren personellen Zusammenhang mit den Schmelzstätten.
Die „Waldschmiede" waren gleichzeitig Bergleute, Köhler,Schmelzer und Schmiede in einer Person.

Darstellung einer „Waldschmitte":
Holzhauer, Köhler, ein Schmelzer mit Blasebalg am Rennofen, ein anderer nimmt mit der Zange die Luppe, vorne ein Schmied mit seinem einfachen Amboss.

Hierfür gibt es urkundliche Belege :
Als im Jahre 1465 das Kloster Hirzenhain Nieder-Niddern käuflich erwirbt, wird vom Kauf ausdrücklich ausgenommen das Recht des Waldschmiedes auf der Hütte zu Nieder - Niddern : "sich der Eisenkaute und des Steins aus dem Berge zu bedienen".
Und noch 1538 führt der stolbergische Keller (Verwalter) zu Ortenberg Klage darüber, dass die Waldschmiede von der im Gebiet des Landgrafen von Hessen liegenden Hütte zu Sichenhausen die Erzgruben zu Nieder - Niddern für sich ausbeuten wollen.
In einer dem Vogelsberg eigentümlichen mittelalterlichen Betriebsform, der Waldschmiedegenossenschaft, wie sie auch in Sichenhausen nachgewiesen ist, sind die Mitglieder der Genossenschaft, die auf einer großen Hofreite zusammen wohnten, Begleute, Schmelzer, Hammerschmiede und Köhler in Einem.
Zünftige Bergleute treten im Vogelsberg erst im Jahre 1555 auf.

Die Hirzenhainer Hüttenrechnung nennt nur den Bergmann Jürgen Baier, berichtet aber von zwei weiteren Bergleuten, die auf der „Zolbach" arbeiten und anlässlich des Streites zwischen den Herrschaften Isenburg und Stolberg von den Isenburgern von ihrem Arbeitsplatz verjagt wurden.
Es dürfte kein Zufall sein, das die ersten zünftigen Bergleute gerade im Niddertal auftauchen. Vermutlich haben die Grafen von Stolberg, die aus dem Harz stammten, von dort technisches Personal für ihre Hütten und Bergbaubetriebe hergeholt.
An der Stelle der 1375 nachweisbaren alten Waldschmiede hatten die Grafen von Stolberg die Hirzenhainer Hütte errichtet, die in kurzer Zeit eine Sonderstellung unter den Vogelsberger Hütten einnahm und deren Bedarf an Erz nur durch den Einsatz von Spezialisten, also zünftigen Bergleuten, gedeckt werden konnte.
Diese Bergleute kamen aus verschiedenen deutschen Bergbaugebieten. Neben den Harzer Bergleuten kommen auch solche aus Thüringen und der Steiermark vor.
Im Jahre 1602 arbeitete auf dem „Steinberg" bei Gedern - einer Bergmannsiedlung direkt auf dem Erz, aus der sich das heutige Dorf gleichen Namens entwickelt hat - der steirische Bergmann Kaspar Schmonik. Der Name wurde zu „Monik" abgewandelt und ist im 20 Jh. erst in Steinberg ausgestorben
.
1618 wird in Hirzenhain der aus Suhl in Thüringen stammende Bergmann Hans Will genannt. Entgegen der sonst sprichwörtlichen Ehrbarkeit der Bergleute hatte er seine Arbeit auf dem „Kohlacker" bei Hirzenhain im Stich gelassen und war mit 22 Gulden Vorschuss in seine Heimat abgewandert.
Um 1710 erscheinen im Niddertaler Eisenerzbergbau drei aus Sachsen stammende Brüder Ronthaler, von denen zwei um 1710 in die uralten Eisengruben bei Langd im Amt Hungen hinüberwechseln.

Schachtabbau
In unserer Region war durchaus Schachtabbau üblich, besonders in der Nähe größerer Hütten wie Hirzenhain oder Sichenhausen.
Wurden abseits der Hütten größere Vorkommen erschlossen, wie z.B. auf dem "Steinberg", nahm man auch längere Transportwege in Kauf.
Der Bergbau hat im Vogelsberg und im ehemaligen Büdinger Land überall nach dem gleichen, nur hier entwickelten Muster gearbeitet.
Noch heute finden wir an den Stätten dieses alten Bergbaus dutzendweise nebeneinander flache, kreisrunde Vertiefungen im Boden, den sog. „Pingen".
Dies sind die letzten Reste der nun eingestürzten, ehemaligen Schächte.

In dieser Errosionsrinne findet man mehrere verstürzte Schächte (Pingen).

Diese hatten nur etwa 90 Zentimeter Durchmesser und waren bis auf die eisenhaltige Schicht niedergetrieben, die meist in 7, 10, 12 oder 14 Lachtern Tiefe - nur selten ging man tiefer - anstand. Dabei maß 1 Lachter ca. 2,1 m, d.h. die max. Schachttiefe betrug höchstens 29 - 30 Meter. War der Schacht ausgebeutet, trieb man dicht daneben einen weiteren in die Tiefe. Dieses Verfahren setzte man solange fort, bis die Lagerstätte ausgebeutet war. Von Querstollen ist nur ganz selten die Rede.
Am Osthang des Vogelsberges fand man 1952 ein solches Bergbaufeld : Auf einer kleinen Fläche von 40 x 150 m fanden sich rund 40 solcher „Pingen".
Sie hatten einst die Schmelzhütten am „Schwarzen Fluss" oberhalb von Ilbeshausen mit Erz versorgt.
Diese kleinen, engen Schächte sind, wie die Bergrechnungen ausweisen, fast stets mit „Schichtholz" verzimmert worden. Wir haben darunter das Einziehen von Reifen aus jungen, schlanken Buchenstangen zu verstehen, also keine Schachtverzimmerung mit Bohlen und Brettern im heutigen Sinne.
Im Vogelsberger Eisenerzbergbau wurde man des Wassers meist nicht Herr. Im Winter standen die Schächte oft unter Wasser und die Arbeit musste ruhen. Nur ganz vereinzelt haben die Bergleute den Versuch gemacht, das Wasser durch Gräben oder Stollen abzuführen.

Jeder Bergmann arbeitete in seinem Schacht mit einem „Jungen", einem Anlernling - meist seinem Sohn - zusammen. Mit einfachen Handhaspeln wurden die mit Erz gefüllten Kübel hochgewunden und auf Halde gestürzt.
Auch um die Zuführung frischer Luft, der „Bewetterung" machte man sich nur selten Sorgen, da dies nur bei tiefen Schächten wohl eine Gefahr darstellte. 1556 zahlte der Hirzenhainer Faktor Herrting dem Balgmacher aus Schleusingen acht Gulden für einen doppelten Blasebalg, der auf der Grube „den Wind in die Schächte" treiben sollte. 1586 treibt auf dem Steinberg der Bergmann Velten Ruprecht von seinem Schacht zu dem des Kaspar Ihan einen „Windstollen".

Wie schon angedeutet, lagen die Gruben nicht immer in der Nähe der Hütten.
Man ist dann auch vor weiteren Transportwegen nicht zurückgeschreckt. Die Entfernung der erwähnten Erzgruben am Hoherodskopf zu den Schmelzhütten am schwarzen Fluss betrug etwa
3 Kilometer. Aus den alten Gruben am Spießweiher bei Gedern soll einst ein blinder Schimmel ohne Führer das Erz eine gute Dreiviertelstunde weit zur Schmelzhütte bei Nieder - Niddern gebracht haben.

Erzwäsche
Auch Erzwaschen haben die damaligen Bergleute bereits gekannt. Es scheint, als ob die Harzer Bergleute dieses Verfahren mit in unsere Region brachten. Dieses „Waschen" war für unseren Erzbergbau wichtig. Zunächst wurde nur das begehrte, großbrockige „Stückerz" abgebaut. Dieses war meist von tonigen, feinkörnigem „Wascherz" begleitet, das über und unter dem Stückerz lagerte. Als Abraum zu schade, wurde es durch einen primitiven Waschprozess in reiner Handarbeit von den Anhaftungen und Beimischungen befreit und zum Schmelzprozess nutzbar gemacht. 1560 ließ der Hirzenhainer Faktor Herrting Erz von der „Zolbach" (wahrscheinlich Gruben nahe beim Spießweiher) zur Nidder zum Waschen fahren, weil es auf der Grube an Wasser fehlte. Auch 1585 und1602 erwähnt die Hirzenhainer Hüttenrechnung Wascherze. Von diesen wurde den Bergleuten der „Oberwaschstein" geringer bezahlt als der, dem Stückerz gleichgesetzte, „Unterwaschstein".
Für Stückerz zahlte die Grube je Fuder
(von „Fuhre" = Gewicht von Stückgut, z.B., Erz, regional verschieden,ca. 800 - 1200 kg) einen Gulden, für Oberwascherz 22 Albus, also 5 Albus weniger.

Erzvorkommen und Lagerstätten
Der Brauneisenstein war durchaus in größeren Mengen an der Oberfläche zu finden.
In Hüttenrechnungen des 18. Jh. ist vermerkt, das die Bauern aus der Umgebung der Hütten solche „Lesesteine" fuderweise ablieferten und gegen Roheisen
(Rund oder Flacheisen) eintauschten.
Solche offenen Lagerstätten haben wohl frühzeitig die ersten Waldschmiede angezogen, die an solchen Plätzen ihr Handwerk aufnahmen.
Mit der Einrichtung fester Hütten und Schmieden (Hammerschmieden), meist in der Nähe von Bachläufen, um die Wasserkraft zu nutzen, wurde der Erzabbau intensiviert und in der, bevorzugt näheren Umgebung, solcher Hütten entstand der Schachtabbau.

Abbauorte: „Enkelries" bei Lißberg und „Reimertsholz" zwischen Hirzenhain und Gelnhaar, „Eisenkaute" bei Eckartsborn, im Bereich Nieder - Niddern zwischen Steinberg und Gedern, auf dem Steinberg selbst.

Kaiser Rudolf II. beauftragte am 3. August 1581 den Kurfürsten Daniel von Mainz mit der Einziehung der Reichslehen, die durch Absterben ihrer Inhaber hinfällig waren. Hier wird auch das Bergwerkregal von Lißberg aufgeführt, das damit schon eine gewisse Bedeutung gehabt haben dürfte.

Die Waldschmiede
Unter diesem Sammelbegriff „Waldschmiede" oder „Waltsmitte" ist jene Personengruppe zu verstehen, die in den Anfängen des Erzabbaues quasi als „Wanderhandwerk" die Lagerstätten aufsuchte, erschloss und ausbeutete.
Es waren „unständige Betriebe" die keine festen Produktionsstätten hatten und die, je nach Erzvorkommen und / oder Auftragslage, errichtet und dann wieder verlassen wurden. Als Bergleute waren sie zwar frei und an keine Landesgrenzen oder Grund gebunden, aber ihr unstetiger Lebenswandel, das Umherziehen bot keine Gelegenheit, eine soziale Bindung zu den „Sesshaften" zu schaffen. Ihr Leben im Wald, der Umgang mit den Elementen Feuer, Wasser und der Bergbau gaben ihnen eine „mystische Aura", sie waren Anders und man begegnete ihnen wohl mit Scheu und gesundem Misstrauen. Bedingt durch ihre Arbeit
(Köhler, Schmied) dürften sie sich auch durch ihr abenteuerliches Aussehen deutlich von der Landbevölkerung unterschieden haben.
Wo das Erz leicht zu gewinnen war, wo der Wald genug Holz zum Verkohlen bot, wo vielleicht noch eine kleine Quelle war, zum Trinken und zum Ablöschen ihrer Hämmer und Zangen, da ließen sich die Waldschmiede nieder. Sie bauten sich eine primitive Unterkunft und begannen die Eisensteine zu sammeln. Hatten sie genug für eine Schmelze zusammen, musste die notwendige Holzkohle hergestellt werden. Dazu wurde der Wald gerodet und die Kohlenmeiler gebaut.

Zum Schmelzen wurde ein Ofen, ein „Rennfeuer" errichtet, in dem schichtweise Holzkohle und Eisenstein eingebracht wurde. Das Ergebnis dieser "Schmelze" war ein Klumpen Roheisen, die sog. "Luppe" (von Lupus = Wolf) der noch nachbearbeitet werden musste.

Das so gewonnen Roheisen wurde dann in der Schmiede zu Werkzeug oder Stabeisen weiter verarbeitet.
Wenn diese Waldschmiede dann wieder weiterzogen, hinterließen sie in den Wäldern wohl recht respektable Lichtungen. Auf diese Orte (Lichtungen, Wiesen) könnten sich die überlieferten Flurnamen wie „Schittenwiese" beziehen. „Schmidtswiese" bei Ober - Lais, „Schmidterberg" unterhalb von Gedern, die „Schmidtsellen" bei Bößgesäß, die „Schlackenäcker" bei Ilbeshausen u.v.m.
An den Orten der Waldschmiede findet man Schlackereste, Meilergruben und die spärlichen Reste der kleinen Rennöfen.
Die steigende Nachfrage nach Eisen erforderte eine Steigerung der Produktivität, die durch diese Waldschmieden nicht mehr gedeckt werden konnte. Die technischen Verbesserungen, vor allem die Nutzung der Wasserkraft zum Antrieb von Hämmern und Blasebälgen, gaben den Ausschlag, feste, langfristig arbeitende Produktionsstätten zu schaffen. Die kleinen Schmelzen und Schmieden bei den Erzlagerstätten wurden aufgegeben oder wanderten in die Täler zu den Wasserläufen. Hier entstanden die ersten "Hütten".

Schmelzen und Hütten in unserer Gegend
Diese festen „Hüttenwerke" waren als langfristig arbeitende Stätten angelegt. War das Erzvorkommen erschöpft, wurden weiter abgelegene Vorkommen erschlossen und genutzt. Aus den Hüttenrechnungen kann man ersehen, das die Hütten fest angestellte Fuhrleute hatten oder Fuhrleute verdingte.
Die älteste Nennung einer festen Hüttenstatt, wie oben geschildert, dürfte in der Urkunde von 1375 zu sehen sein, in der die „Waldschmittenstatt" bei Hirzenhain als Rechtsgegenstand der Herren von Lißberg genannt wird. Es muss sich hier schon um eine ortsfeste Anlage gehandelt haben, denn eine mobile „Waldschmiede" wäre wohl nicht Gegenstand eines Rechtsaktes gewesen.
Die kleine, alte Waldschmiede unterhalb von Eichelsdorf, die die Erzvorkommen der „Arzbach" ausgenutzt haben dürfte, wurde von zwei neueren Schmieden abgelöst, die in den Hirzenhainer Klosterurkunden von 1441 als „Oberste und Unterste Waltschmitte" bezeichnet werden und aus denen die Dörfer Ober und Unterschmitten hervorgegangen sind.
Nachfolgerin der wohl ältesten Büdinger Waldschmiede am Tiergarten wurde die Waldschmiedegenossenschaft zu Schmitten oberhalb von Büdingen am Seemenbach, auf deren Gebiet noch 1592 die „Pfannenschmiede" arbeitete. Die alten Schmelzen in der „Finkerslache" wurden abgelöst von einer Hütte im Unterdorf von Rinderbügen, die 1390 urkundlich genannt wird.
Das Erbe der alten Schmelzstätten im Revier der Seeme traten die Hütten am Seemenbach an. Von ihnen ist eine in Spuren am Burgkippel unterhalb des Dorfes Mittel - Seemen nachgewiesen, eine weiter etwas bachabwärts am „Watzberg".
Die sicher mit der Eisenerzgewinnung gekoppelte Hütte bei Burgbracht fand Nachfolge in der weiter brachtabwärts gelegenen ersten Hütte in Hitzkirchen, die vielleicht gleichzeitig mit den Hütten in Hirzenhain und Rinderbügen entstand.
Soweit einige Beispiele aus unserer Region, an denen die Entstehung fester Hüttenstätten nachvollziehbar ist.

Die Rolle der Grundherren
Wie schon erwähnt, waren die Grund / Landesherren bestrebt, in den Besitz von Regalien, d.h. besonderer Privilegien, die meist vom König verliehen wurden, zu kommen. Das bedeutete nicht nur die Stärkung ihrer Machtbefugnisse, es brachte auch nicht zu unterschätzende finanzielle Einnahmen.
Die Herren von Lißberg waren im Besitz des Bergregals und konnten deshalb die Waldschmitte bei Hirzenhain (Hortzhayn) betreiben. Diese wird 1375 urkundlich erwähnt und war zu der Zeit schon eine feste Einrichtung, also eine „Dauerschmiede" oder Hüttenstatt. Sie hatten Gerichtsanteile zu Wolferborn, Gedern, Wenings und saßen auf der Burg Bracht. Deshalb ist anzunehmen, dass sie auch auf die Schmelzstätten und Schmieden in dieser Gegend Einfluss hatten, soweit diese nicht in Machtbereich anderer Adelsgeschlechter lagen.
In den Urkunden ist auch von einem selbstständigen Bergbau die Rede, der am „Enkelries" und im „Reimertsholz" betrieben wurde.
Ein Dokument aus 1390 nennt zwei andere „Dauerschmieden", in Rinderbügen und in Schächtelburg, für die der gleiche Herr Friedrich zu Lißberg den Eisenstein aus Burgbracht lieferte und Herr Johann zu Isenburg und Büdingen das Kohlen in seinen Wäldern zulassen wollte. Diese drei Waldschmieden an Nidder, Seemenbach und Bracht mit ihren Schmelzen und Hämmern wurden von selbstständigen Unternehmern betrieben und von Bergmännern und Köhlern beliefert. Die Grundherren partizipierten von den ausgehandelten Steuern und Abgaben und konnten die Pacht neu ausschreiben oder verlängern
In der Folgezeit gerieten aber die kleinen Schmelz -und Schmiedestätten, wie schon erwähnt, immer mehr ins Hintertreffen und wurden von größeren Hüttenwerken verdrängt, die von den Landesherren gegründet und gefördert wurden.

Soziale Vorsorge und Verdienst.
Der Hammerschmiedemeister Hans Ochs aus Lißberg, sein Geselle Hans Bornkessel und ein Köhlerknecht gehörten 1609 zum ständigen Personal der Schellenhäuser Hütte im Feldatal. Auf dieser Hütte waren 14 Mann, einschließlich zweier Steinwäscher beschäftigt. Dazu kamen noch zwei bis drei Bergleute und ebenso viele Fuhrknechte. Die Zahl der Holzhauer und Köhler betrug hingegen ein Vielfaches hiervon und wechselte zudem ständig.
Eine feste Besoldung von 48 Gulden im Jahr erhielt nur der Hüttenverwalter. Der Lohn der Schmelzer richtete sich nach der Schmelzdauer, für die sie angenommen wurden. Während des zehnwöchigen Ofenbetriebes bekamen sie 2 Gulden, mussten aber hiervon fünf Knechte entlohnen.
Hammerschmiede und Renner erhielten dagegen Stücklohn, und zwar die ersten 3 Batzen für die „ Wag Eisen" die letzteren ebenso viel für die „Eisenluppe" (Roheisenklumpen), die sie erbliesen. Die Bergleute verdienten für jedes Fuder Eisenstein 8 Batzen. Die Köhler erhielten 6 Pfennig für das Aufschichten des Klafters Holz im Meiler, dazu einen Brennerlohn von 18 Batzen für das Fuder Holzkohle.
Diejenigen Arbeiten, die sich durch damals noch selten benötigte Fachkenntnisse auszeichneten - wie Schmelzer, Gießer und Bergleute - hatten die Möglichkeit zu reichem Verdienst. Aber die Verführung zu üppiger Lebenshaltung brachte es oft mit sich, dass sie „durch kostbare Kleidung, Fressen und Saufen in Armut gekommen". So liest man es in einem zeitgenössischen Bericht.
Ein weiterer Umstand, der die wirtschaftliche Lage der Arbeiter begünstigte, war die geringe Höhe der Lebenshaltungskosten. Die gesamte Hüttenbelegschaft hatte freie Wohnung. Zur Abkühlung nach schwerer Arbeit waren eiserne Wannen aufgestellt, die je zehn Eimer Wasser fassten.
Auch für den Fall der Arbeitslosigkeit und Krankheit war Vorsorge getroffen. Die im Gedinge fest angenommenen Arbeiter erhielten so genanntes „Feiergeld", wenn der Betrieb infolge Wassermangels oder Vereisung stillstand .
So bezog der Hammerschmied Hans Ochs neun Wochen lang „Wartegeld", als er infolge Krankheit arbeitsunfähig war.
Des weiteren brachten die abseitige Lage der Werke und die damit oftmals ungenügende Beaufsichtigung es mit sich, dass die Schichten - zwei elfstündige und eine achtstündige - nicht immer genau eingehalten wurden, so dass die Leute Zeit fanden, ihren Liebhabereien wie Jagd und Fischfang nachzugehen.

Welch eine soziale Vorsorge für die Mitarbeiter des Schellnhäuser Hammers zu einer Zeit, als man andernorts noch meilenweit von solchen Leistungen entfernt war.
Ende des 16. Jahrhunderts arbeiteten auf der Ortenberger Hütte zwei Gießer und ein Gießknecht.
In Hirzenhain war mehr Personal: Vorschmied, Nachschmied, Zerrenner, 2 Frischer,1 Fuhrknecht und ein Kohlenmesser. Während Schmiede und Frischer Stücklohn erhielten , gab man den anderen und auch dem Faktor Wochenlohn.
Auch bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit erhielt das Personal wie in Schellhausen „Feiergeld".
Diese Leistungen wurden wohl freiwillig gezahlt, um die Arbeiter an der Hütte zu halten. In den großen Bergwerksplätzen wie im Harz hatten sich die Bergleute zu straff organisierten „Knappschaften" zusammengeschlossen. Diese Organisationsform unterhielt Hilfskassen und Versorgungsstätten für verunfallte Bergleute.
Solche Einrichtungen kannte man im Vogelsberg nicht. Hier leistete der Landesherr bzw. die jeweilige Hütte einiges an sozialer Fürsorge.
Als 1684 der Bergmann Klaus Politsch stirbt, gibt die Hütte der Witwe sechs Dielen zum Sarge, die Nägel und zwei Lichter. Sie zahlt auch dem Schreiner den Arbeitslohn für den Sarg und reicht der Witwe noch 1696 ! eine Rente.

Zum Schluß
eine kleine Bildfolge, die uns in groben Zügen den Werdegang vom Aufspüren der Lagerstätten, der Vermesseung, Förderung und Aufbereitung des Erzes bis zu seiner Verhüttung aufzeigen soll.
Am Anfang stand das Aufspüren erfolgversprechender Lagerstätten.
Fand man an der Oberfläche schon den begehrten Eisenstein, war es relativ einfach.
Aber es kamen auch Spezialisten zum Einsatz :

Man beurteilte die Fauna, den Bewuchs des Geländes, man ging mit Wünschelruten das Gelände ab, oder man grub einfach ein paar Probeschächte, um zu sehen, ob man auf eine lohnende Stelle stieß.  
War dies der Fall, musste man beim Grundherren die "Mutung" beantragen.
Bei der Mutung wurde das Gelände vermessen, das Areal abgesteckt und die Fläche berechnet.
Danach wurde der Zins berechnet, den man dem Grundherren zahlen musste, um die Lagerstätte ausbeuten zu dürfen.
War dies alles geschehen, konnte mit dem Aubbau begonnen werden.
Auf diesem Stich sieht man die verschiedensten Abbauarten :
Den Oberflächenabbau in einfachen Gruben, Stollen, die in den Berg getrieben werden oder Schächte, aus denen man mit Haspel und Förderkorbdas Erz aus dem Berg fördert.
Die Verhüttung des Erzes wurde in späteren Zeiten in Schmelzhütten vorgenommen, die abseits der Fördergruben lagen. Meist in Flusstälern, um die Wasserkraft nutzen zu können. Aber man brauchte das Wasser auch zur Erzwäsche. Dazu musste eine Der Transport wurde von Fuhrleuten erledigt.
Der Bergmann, der das Erz abbaute konnte es auch selbst zu der Hütte transportieren. Das setzte voraus, dass er ein Fuhrwerk besass. Meistens wurden aber Lohnfuhrwerker beauftragt oder die Hütte war so groß, dass sie sich eigene Fuhrleute hielt.
Das angelieferte erz wurde beim Abkippen von dem "Stürzer" begutachtet. Er notierte die Menge und die Qualität des angelieferten Rohstoffes.
Danach richtete sich die Bezahlung an den Bergmann.
Solange das Erz noch auf Halde lag, war es Eigentum des Bergmannes.
"Transportlogistik" aufgebaut werden.
Bevor das Erz in die Schmelze ging, wurde es aufbereitet.
Es wurde gewaschen, um die tonigen Bestandteile und sonstige oberflächlichen Verunreinigungen zu beseitigen. Das gewaschene Material wurde dann von den Klopfern in kleinere Stücke geschlagen.  Das vereinfachte das Beschicken der Schachtöfen und ergab einen höheren Füllgrad.
Je nach Beschaffenheit des Erzes wurde vor dem verhütten noch die "Erzröste" durchgeführt. Sie hatte den Zweck, aus dem gewaschenen Erz unliebsame Bestandteile heraus zu brennen oder zu verdampfen.Das garantierte einen höheren Reinheitsgrad der Schmelze und hatte somit auch Einfluß auf den Zusatz der Beischlagsstoffe.  

 
 
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